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Ortsfamilienbuch Ciucurova (Dobrudscha)
Aus dem „Tschukurowa-Buch“ von Christian Brandenburger:
Tschukurowa – Ortschaft in der Dobrudscha
Der Name Tschukurowa stammt aus dem Türkischen und bedeutet soviel wie Grube, Mulde, halbe Höhle. Das Dorf liegt in einem langen Tal und wird an beiden Seiten von Wäldern gesäumt. Im Nordwesten liegt in nur sieben Kilometern Entfernung Atmagea.
Als 1856 die ersten deutschen Kolonisten eintrafen gab es bereits einen russischen und einen türkischen Ortsteil. Das deutsche Viertel entstand im Südosten des Rathauses. Jede Volksgruppe wohnte und lebte demnach für sich, hatte eigene Straßen, eigene Kirchen, pflegte eigene Sitten und Bräuche. Im deutschen Ortsteil wurden eine evangelische und eine baptistische Kirche gebaut. Häuser, Gärten, Straßen und Anlagen verrieten ihre Herkunft. Wir Deutschen kamen meistens gut und friedlich miteinander aus. Man war bestrebt das Volkstum fast ohne fremde Beimischung in Sprache, Gesinnung und Blutmischung zu erhalten. Mischehen gab es demnach selten.
Jeder Deutsche in Tschukurowa durfte bauen so viel er wollte, wenn er jährlich den Zehnten Teil seines Hab und Guts an die Obrigkeit entrichtete. Allerdings war die Arbeit alles andere als leicht, denn das Land das zum neuen Dorfe gehörte, bestand aus uralten Baumriesen. Da konnten der Pflug und die Egge nur wenig ausrichten. Axt, Säge und Spaten mussten erst den Weg bahnen. Und dennoch waren sie alle froh überhaupt ein neues Dorf zu besitzen. In der ersten Zeit mussten sich die Bauern als Köhler betätigen um überleben zu können: Sie fällten Bäume, brannten Kohlen und verkauften sie.
Die Wälder um Tschukurowa wuchsen meistens in höheren Lagen. Die bewaldeten Bergrücken, die sich vom Meeresspiegel in eine Höhe von 300 bis 350 Metern erheben, erstrecken sich aus der Ebene vom Hammangia in Richtung Slawatscherkesse, Tschukurowa und Atmagea über eine Länge von etwa 30 bis 35 Kilometern. Es gab ausschließlich Laubwälder, Nadelhölzer fehlten gänzlich. Neben gewaltigen Buchen, Eichen, Linden, Eschen usw., gediehen Sträucher wie Mehlbeeren, Kornis, Haselnüsse und Karfunkeln. Und da gab es noch die Ordewinen-Sträucher, die Ruten des Strauches war sehr gut geeignet zum Körbe flechten.
Am schönsten war es im Sommer wenn man dem Gesang der vielfältigen Vogelarten lauschen konnte, oder das Wild, das es in reichlicher Zahl gab, wie Rotfuchs, Wolf, Silberfuchs, Dachs, Wildkatze, Wildschwein, Reh und Hase, beobachten durfte.
Und nun noch einiges zum Leben der deutschen Tschukurower: Neunundneunzig Prozent hatten ihr eigenes Haus mit Gurten. Sie waren fast alle Selbstversorger, angefangen beim Fleisch, Gemüse, Obst, Getreide usw. jeder Handwerker und Landarbeiter hatte zehn bis zwanzig Hühner, ein bis zwei Schweine und ein paar Enten. Was sie sonst noch brauchten, wie Milch und Wein, besorgten sie sich beim Bauern, indem sie das Erhaltene abarbeiteten. Die Größe der Höfe und Gärten betrug je nach Vermögen, Handwerker, Landarbeiter oder Landwirtschaftsanwesen, 2 500, 10 500 und 20 000 qm.
Gründung des deutschen Ortsteils von Tschukurowa
Nach Tschukurow kamen die ersten beiden Familien im Jahre 1853 und ließen sich dort inmitten der Ukrainer nieder. Es waren Ferdinand Beyer (Preuße) und Josef Jud.
Die eigentliche Gründung der Gemeinde fiel aber in die Jahre 1856 - 1857. Damals trafen noch folgende 28 Ansiedler aus Jakobstonsthal ein: Emanuel Berndt, alt; M. Berndt, jung; Gustav Fandrich; Schukur; Christian Ziel (Pommer); Johann Kohls (Preuße); Johann Martin; Johann Maier, alt; Johann Maier, jung (Schwabe);Jakob Maier, Jung (Schwabe); Joachim Blumhagen (aus Mecklenburg-Streliz); Friedrich Frank; Gottlieb Büttner; Martin Wiersch; Kowalski; Gustav Dermann; Paul Radetzki (Preuße); Christian Ponto (Preuße); Christian Hack; Gustav Ponto (Preuße), Gustav Suckert; Joseph Mühlbach (Schweizer); Johann Walter (Schwabe); Schißler (Schwabe).
In den Jahren 1912 - 1916 Auswanderer aus Tschukurowa:
Vom Hörensagen der älteren Leute kann ich nur berichten. Da durch die starken Geburten-jahrgänge Mangel an Grund und Boden bestand, waren viele Familien und auch ledige Personen dazu gezwungen, sich eine neue Existenz zu schaffen. So suchten folgende ihr Glück in Kanada:
Johann Maier; Johanes Arndt; Emilie Arndt, ledig; Friederich Mehrer; Karl Mehrer; Christoph Fandrich; Wilhelm Berndt; Christian Ponto; Rudolf Ulbricht; Rosa Adam, ledig; usw.
Es waren aber auch viele Tschukurower Familien die wegzogen in den Kreis Konstanza; Anadolchioi; Kodschalie; Kodschalak; Tariverde; Mamusli, usw.
Doch ein Großteil der Tschukurower zogen nach Karatei.
In den Jahren 1922 - 1924. Da gründeten sie einen neuen Ortsteil. Nur einige Familien zu nennen: Christian Adam; Ferdinand Berndt; Gottlieb Brandenburger, Ferdinand Brandenburger; Michael Roth; Christoph Blumhagen; August Fandrich; Friedrich Ziel; Fer-dinand Liedtke; Johann Blumhagen; Johann Martn; später zugezogen: Samuel Frank; Wilhelm Frank; Alexander Adam
Die erste deutsche Kirche und die wandernde Glocke
Die erste deutsche Kirche in Tschukurowa wurde im Jahre 1870 gebaut. Entsprechend den damaligen Möglichkeiten wurde sie aus Holzstützen und geflochtenen Strauchruten hergerichtet. Der Verputz bestand aus Lehm, während das Dach mit Schilfrohr gedeckt wurde.
Im Jahre 1896 wurde die Kirche neu gebaut. Diesmal konnte Stein als Baumaterial verwendet werden, das Dach wurde mit Blechtafeln gedeckt.
Die Kirchenglocke der Tschukurower deutschen Kirche wurde "die wandernde Glocke" genannt, weil sie stets mit den Bewohnern mitwanderte. Sie war die älteste Glocke der Dobrudscha und hatte eine bewegte Vergangenheit.
In den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts schenkte die Frauenabteilung des Gustav-Adolf-Vereins der Gemeinde Jacobsonsthal bei Braila eine rotsamtene Altardecke. Die Hauptabteilung desselben Vereins schenkte dem Dorfe eine Kirchenglocke. Am 18.09.1857 verehrte König Friedrich Wilhelm 4. von Preußen den Glaubensbrüdern von Jacobsonsthal eine wunderschöne Altarbibel. Als die letzten Jacobsonsthaler, darunter die Familien Pied, Banek und Peppler die Gemeinde verlassen hatten und die Gemeinde Kataloi in der Dobrudscha gründeten, wurden diese drei Stücke in der Kataloier Kirche untergebracht. Nachdem aber alle Kataloier zum Baptismus übergetreten waren, forderten die Tschukurower, die vorwiegend auch aus Jacobsonsthal stammten, diese Gegenstände für sich zurück. Doch die alten Besitzer wollten diese nicht herausgeben. Erst 1866, nach einem Bescheid des Oberkirchenrates in Berlin und nach einer Verfügung der Tultschaer Beamten Blücher und Malinowski, kamen sie nach Tschukurowa zurück.
Die Kirchenglocke hat den Tschukurower nicht immer nur Frieden geläutet, sie hat auch Feuer, Aufruhr und Krieg mit ihrem Geläute verkündet.
Im Jahre 1940 bei der Umsiedlung kam die Glocke mit den Tschukurower Bürgern nach Münsterschwarzach bei Kitzingen.
Die Tschukurower wurden in den Lagern Münsterschwarzach, Würzburg-Frauenland, Würzburg-Heidingsfeld und Bad Bocklet bei Kissingen untergebracht. Am 20. Juni 1942 kamen sie zur Ansiedlung über Litzmannstadt in den Kreis Welun (Warthegau).
Natürlich begleitete die Glocke die Tschukurower in den Warthegau. Leider wurde sich nicht rechtzeitig vom Ankunftsbahnhof abgeholt, weil die Tschukurower über ein großes Gebiet verstreut keine Gelegenheit mehr hatten sich um die Glocke zu kümmern. Sie geriet unter bereits daliegende polnische Glocken, die eingeschmolzen werden sollten, so dass sie für immer verloren ging.
Bemerkungen / Quellen:
Leider sind keine erhaltene Kirchenbücher aus Ciucurova bekannt, so dass nur Sekundärquellen benutzt werden konnte. Dies waren insbesondere die unter dem Namen „Odessa-Files“ bekannten Abschriften der Koblenzer Mikrofilme von den familienkundlichen Erfassungsbögen der „Heimkehrer“, sowie der „Rundbrief“, herausgegeben ab 1949 von Pastor H. Hahn.
Darüber hinaus gibt es natürlich im Internet eine Vielzahl von Stammbäumen auf den einschlägigen Genealogie-Portalen mit einzelnen Einträgen aus Ciucurova.
Nicht verschweigen möchte ich dass die Daten aus den verschiedenen Quellen z.T. deutliche Widersprüche enthalten. Schon die Kirchenbücher in sich sind nicht immer schlüssig. Erschwerend kommt hinzu, dass in Rumänien bis Ende 1918 der Julianische Kalender galt, der zu diesem Zeitpunkt bereits eine Abweichung von 13 Tagen zum in Deutschland üblichen Gregorianischen Kalender hatte.
Für Korrekturen und Ergänzungen bin ich dankbar. Zu manchen Personen habe ich Fotos, auch hier bitte ich um Ergänzungen.
Axel Eichhorn
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